2019 hat sich Diskollektiv erneut im Rechbauer-Kino eingefunden und nicht nur Barakudas (Drinks, keine Fische!)
sondern auch ein neues Programm mitgebracht.
Im Guckkasten der Peepshow werden Blicke inszeniert, nackte Körper als Projektionsflächen ausgestellt. Die Journalistin Judith Wiener (Adelheid Arndt) ist mit der Kamera auf der Reeperbahn unterwegs. Ihr an der Ökonomie der Geschlechterverhältnisse interessierter Bericht wird jedoch nie auf Sendung gehen: „Sie haben die Aufgabenstellung nicht verstanden“, meint ein Redakteur daheim in Wien. Dafür trifft sie im Spiegelkabinett eines Hamburger Hotels auf Dr. Alfons Schlögel (Rüdiger Vogler), einen ehemaligen Liebhaber. Dieser entpuppt sich als zentrale Figur eines Waffenschieberrings – und wird in der Folge zur neuen Story der engagierten Reporterin.
VALIE EXPORTs dritter Langfilm Die Praxis der Liebe (1985) ist nichtlinear erzählt, seine Handlung spinnt sich lose um den Kern eines Kriminalfalls. Die Fäden laufen in der mit Tonbandgeräten und Bildschirmen ausgestatteten Wohnung von Judith zusammen. Die österreichische Öffentlichkeit der 1980er-Jahre, konkret jene von Wien, zeigt sich als patriarchale und medial saturierte Überwachungsgesellschaft. Auf EXPORTS offensive Konfrontation mit der männlichen Autoritätsgesellschaft trifft mit Bill Forsyths Housekeeping (1987) eine andere Form poetischen feministischen Kinos: Rückzug als radikale Absage an jeglichen Anpassungszwang. Tante Sylvie (Christine Lahti) sitzt gern im Dunkeln und überlässt das väterliche Haus sich selbst. Zeitungen, Dosen und Familienvermächtnisse stapeln sich bis an die Decke. Doch die Eisenbahngleise führen nicht nur nach Fingerbone - ein Kaff irgendwo im Idaho der 1950er - sondern auch wieder von dort weg.
Die Programmierung innerhalb der Reihe “Über-Bilder: Projizierte Weiblichkeit(en)” folgt dem filmkuratorischen Konzept der TROUBLE FEATURES, das darauf abzielt, im Rahmen eines Doppelprogramms inhaltliche, formal-ästhetische und ideologische Kontraste und/oder Kongruenzen zwischen aufeinanderfolgend gezeigten Filmen herzustellen.
Im Anschluss an die beiden Screenings lud Diskollektiv vor unbespielter Projektionsfläche zu einer experimentellen Publikumsdiskussion, die das Thema der Reihe mit dem TROUBLE FEATURE in Dialog setzte.
“Doch Judith, an der Schnittstelle zwischen Innenwelt und Außenwelt, ist nicht zu raten. In ihrem Leben sammelt sie die Bruchstücke ihrer Wünsche und Träume. Es gibt für sie viele Realitäten – jede davon löst sich in einer Reihe von Bildern und Images auf. Die Frage nach dem Sinn ihres oft unterschiedlichen Verhaltens ist die Suche nach dem Ausgangspunkt einer Reihe von Bildern.” (VALIE EXPORT)
> Zum historischen Special "Über-Bilder: Projizierte Weiblichkeit(en)"
Joan Crawford in JOHNNY GUITAR und Peter Alexander mit Waltraud Haas IM WEIßEN RÖSSL
Bei der Diagonale 2018 stieg die Peter-Alexander-Komödie Im weißen Rössl (1960) mit Nicolas Rays Joan-Crawford-Western Johnny Guitar (1954) als Überraschungsfilm in den Ring. Ein experimentelles Doppelprogramm mit anschließender Diskussion, frei nach einem Grundsatz der Montagetheorie: Wenn zwei Leinwanderfahrungen aufeinandertreffen, entsteht eine dritte.
Das diesjährige Trouble-Feature-Gastspiel war ins historische Special "Kein schöner Land" eingebettet. Als Ausgangspunkt diente mit der Operetten-Modernisierung Im weißen Rössl ein strahlendes Aushängeschild des österreichischen Tourismusfilmgenres. Die mysteriösen Gäste im Kaiserzimmer des Weißen Rössls waren auf der Leinwand des Grazer Rechbauer Kinos Vienna (the pariah) alias Joan Crawford und Johnny Guitar (the musician) alias Logan (the gunslinger) alias Sterling Hayden in Liebe vereint. Johnny Guitar – ein fantastisch-dramatischer Western um eine Salonbesitzerin, ihren Ex, ihre Feindin, faschistoide Tendenzen im ländlichen Amerika und den Fortschritt, namentlich die Eisenbahn, die sich durch Felssprengungen ankündigt, welche nicht viel mehr zum Plot beitragen, als dass sie die Pferde verschrecken.